Los Angeles - New York per Rad

McClean - Baltimore - Delta - Columbia - Phoenixville - Philadelphia - New Hope - New Providence - Summit

Hi Folks!

Ferienzeit! Sommerhitze! Wir verstehen, dass ihr lieber in der Aare schwimmt, den Liegestuhl in den Schatten
stellt, an einer kalten Glacé schleckt. Trotzdem fragen wir euch noch einmal, ob ihr uns auf dem letzten Abschnitt
unserer Veloreise begleiten wollt. Auch wir garantieren euch Schweisstropfen und sogar ab und zu eine Abkühlung in voll
klimatisierten Räumlichkeiten.

Ready? Go!

Wie motivieren wir uns für die nächsten Etappen durch Maryland, Pennsylvanien und New Jersey nach den Wohlfühltagen bei Pierre und seiner Familie? Gute Strassen, wenig Verkehr, wunderschöne Wohnquartiere und fantastische Velowege erwarten uns, und schon bald sind wir wieder im Tour-Rhythmus: Tagwache um 6 Uhr, pedalen, pedalen, pedalen, am liebsten von Tankstelle zu McDonald’s zu Burger King etc., denn dort gibt’s eisgekühltes Coca Cola im Nachfüllbecher und Raumtemperaturen deutlich unter den 40 Grad Celsius plus, die uns den Schweiss aus allen Poren treiben und an manchen Orten den Teer auf der Strasse schmelzen lassen, Unterkunft suchen, Nachtessen organisieren, Routenbesprechung und „Büroarbeiten“, Feierabend gegen 22 Uhr. Wir reduzieren unser Tagespensum um ein paar Kilometer, machen öfters Pause, und manchmal müssen wir unser Tempo der gemächlichen Fahrt der Pferdekutschen der Amischen anpassen. Die Bevölkerungsgruppe, die vor allem in Pennsylvanien zuhause ist und noch nach alter Väter Sitte ohne Strom und Komfort Landwirtschaft betreibt, teilt mit uns den rechten Strassenrand oder den Fahrradstreifen, wobei nicht wir es sind, die hinter uns eine Spur von Pferdeäpfeln zurücklassen. Die Amischen werden von den andern, den modernen Amerikanern als fleissige, begabte Handwerker geschätzt. Wenn wir Adidas- und Nike-Ver- oder Ge-wöhnten den barfüssigen, strohhuttragenden, in altmodische Hosen und Baumwollhemden gewandeten Buben oder den mit Häubchen und langen Kleidern ausstaffierten Mädchen an ihrem Stand am Strassenrand sonnengereifte Tomaten abkaufen und ein Gespräch beginnen wollen, staunen wir über die Schüchternheit dieser Kinder. Und doch erfahren wir so einiges.

Zum Beispiel, dass sie zweisprachig aufwachsen, Englisch und Amisch sprechen. Amisch, oder besser gesagt, Pennsylvanian
Dutch, was nicht etwa Holländisch sei, sondern eine alte Form von Deutsch, eigentlich Pennsylvanian Deutsch. Durch die englische Aussprache des Wortes „Deutsch“ sei dann im Lauf der Zeit „Dutch“ entstanden. Ob wir in diesem Fall Deutsch mit ihnen sprechen könnten, oder sie fotografieren, wollen wir wissen. Beides wird verneint. Sie leben in einer anderen Welt, oder etwa doch nicht? Hören wir doch durch Nicht-Amische von nächtlichen Alkoholgelagen am Wochenende der jungen Burschen aus der Amischen Gemeinschaft …

Wir wagen uns mit unseren Stahlrössern in die Grossstadt. Wenn wir schon einmal hier sind, ist es nach Baltimore, Maryland und Philadelphia, Pennsylvania nur einen Katzensprung. Katzensprung?

Natürlich ist hier in Amerika alles viel grösser, höher, schneller, aber nicht einmal die amerikanischen Katzen können soweit springen. Die Abstecher in die Hektik bedeuten für uns immer eine Tagestour. Sehr sorgfältig entscheiden wir uns für jeweils eine Sehenswürdigkeit oder eine Touristenattraktion pro Stadt. In Baltimore ist es der Bummel auf der Promenade mit anschliessender Kaffeepause mit Blick auf die Bucht, in Philadelphia trotzen wir auf der Bus-Spur jeglichem Angriff des Verkehrs und schaffen es tatsächlich, einen Blick auf die (für die Amerikaner) bedeutungsvolle Liberty Bell zu erhaschen. Leider haben wir den Film „Rocky“ mit Sylvester Stallone nicht gesehen, sonst würde Martin die berühmten Treppenstufen beim Art Museum wohl etwas mit mehr Elan hinauf spurten und wir kämpften uns durch die touristische Menge, welche die Bronzestatue in Boxershorts neben der Treppe mit ihren Fotoapparaten belagert. Dafür geniessen wir die Rückfahrt aus der Stadt auf dem fantastischen Trail entlang des Schuilkyll Rivers, grüssen andere Velofahrer und Jogger und geben wieder einmal bereitwilligst Auskunft, wenn wir auf unsere vollbepackten Lastesel angesprochen werden.

Näher und näher kommen wir unserem Reiseziel New York. Nein, Manhattan wollen wir definitiv nicht per Velo erkunden, obwohl uns viele von einer sonntäglichen Fahrt durch den Central Park oder „down“ Broadway vorschwärmen. Es ist Montag und wir erreichen die sympathische Kleinstadt „Summit“ in der Agglomeration New York, die wir zum Endpunkt unserer Transamerika-Tour erklären. „Summit“ = Gipfel oder Höhepunkt. Das passt! Nach 8445 Kilometern im Sattel und mit 74‘635 Höhenmetern in den Beinen ist Schluss. Wir werden wieder zu ganz gewöhnlichen Touristen, welche noch ein paar Tage New York per Bahn, zu Fuss oder mit dem Bus entdecken.

Es bleibt auch noch etwas Zeit, uns über unsere Gefühle klar zu werden. Ist es die Freude, es geschafft zu haben, das Bedauern und die Wehmut über die zu schnell vergangenen Wochen, die freudige Erwartung, unsere Lieben bald wieder zu sehen oder die Dankbarkeit nach der Erfüllung eines lang gehegten Wunsches…? Und da ist noch ein anderes Gefühl. „New Hope“ heisst ein winziges Städtchen am Ufer des Delaware Flusses, wo wir vor wenigen Tagen Halt gemacht haben. Neue Hoffnung – denn es gäbe ja noch die Variante, die USA auf der Südroute per Fahrrad zu durchqueren …

Kein Tag auf unserer Tour ist vergangen, ohne dass wir dankbar an euch gedacht haben. In erster Linie danken wir unseren Arbeitgebern, die uns diesen langen Urlaub bewilligt haben. Immer wieder wurden wir gefragt, ob wir unsere Jobs noch hätten, wenn wir nach all den Wochen wieder in die Schweiz zurückkehrten; für die Amerikaner in der angespannten Wirtschaftslage keine Selbstverständlichkeit. Das ist es für uns auch nicht, darum geht unser Dank auch an alle Stellvertreter und unsere Arbeits-Kolleginnen und -Kollegen, die während der letzten Monate die „Stellung gehalten“ und viele zusätzliche Aufgaben übernommen haben. Unsere ganze Liebe gehört unseren Kindern, die wir jeden Tag vermisst haben, und denen wir speziell dafür danken, dass sie so viel Wichtiges im Alltag daheim für uns erledigt und zusammen mit Vreni dafür gesorgt haben, dass sich unsere Wohnung nicht allzu einsam fühlte, weil sie monatelang allein zuhause war. Euch allen danken wir für eure tollen Mails und die SMS mit den Neuigkeiten aus der Schweiz, aus Deutschland und aus Oesterreich mit den aufmunternden Worten und dem
moralischen Doping, das wir manchmal so dringend brauchten. Und natürlich danken wir allen uns bekannten und unbekannten Amerikanern, die uns jederzeit wohlgesinnt waren, uns hilfsbereit und grosszügig begegnet sind und uns rücksichtsvoll unseren Platz auf der Strasse gelassen haben. Und dann wären auch noch die unzähligen Schutzengel, in welcher Gestalt auch immer, die dafür gesorgt haben, dass wir ohne grössere Zwischenfälle und Unpässlichkeiten unterwegs sein konnten.

DANKE und THANK YOU!

See you soon in Switzerland!
Martin und Annegret

Diese Seite weiter empfehlen

Oeko-Travel Organisation, Kirchweg 4, 3294 Büren an der Aare, Schweiz
info@oeko-travel.org

Content Management System Weblication GRID