Morgens um sechs zieht nochmals ein Gewitter vorüber, aber als wir um ca. neun Uhr aufbrechen, hat es aufgehört zu regnen.
Der Weg aus Mestre heraus ist unschwer zu finden, das Hotel Ariston befindet sich nahe am Stadtrand.
Zu Beginn sehr starker stockender Verkehr, der aber bald einmal abnimmt. Ausserhalb der Stadt sind die Auswirkungen der heftigen Regenfälle vom Vortag noch überall zu sehen, grosse Landflächen stehen nach wie vor unter Wasser.
Bei Pallaga kommen wir auf die Hauptstrasse SS14, der wir bis Portegrandi folgen. Es kommt keine rechte Freude auf: Auf diesem Streckenabschnitt herrscht sehr starker, schneller Verkehr mit vielen Lastwagen. Es gibt leider keine Alternative zu dieser Strasse. Der verkehrsfrei aussehende Weg auf der anderen Seite des Canale Silone ist nicht durchgehend. Soweit wir erkennen können, endet er irgendwo im Nirgendwo direkt am und im Wasser.
Ab dem Kreisel nach Caposite nimmt dann der Verkehr erheblich ab, und dann folgt ein recht ruhiges Stück entlang dem rechten Ufer des Flusses Piave bis nach Eraclea. Hier biegen wir links ab in Richtung Ponte Crepaldo, wo wir uns nach rechts wenden und der kleinen Strasse dem Kanal entlang fahren. Hier gibt es kaum noch Verkehr, aber viele Wasservögel, die uns neugierig mustern. Nach etwa 3 Kilometern kommt eine Abzweigung nach links in Richtung San Dona-Caorle. Die Strasse ist zwar auf unserer Karte eingezeichnet, verläuft aber über Privatgrund und darf unter Androhung aller möglichen schweren Strafen nicht befahren werden. Darum fahren wir etwas zurück und folgen erst mal der vom GPS Gerät angezeigten Naturstrasse Via Senzielli dem Kanal entlang und dann der Via Cavanella bis zum grossen Kreisel bei San Dona-Caorle. Von hier radeln wir auf der SP42 etwas uninspiriert und immer geradeaus nach San Giorgio di Livenza und weiter bis nach San Michele Al Tagliamento.
Am Ortsausgang geht es über den Fluss Tagliamento, der hier nur noch eine trübe Brühe ist - wir kennen den streckenweise sehr schönen und interessanten Oberlauf dieses Flusses von früheren Kanutouren - und schon sind wir in Latisana.
Unterkunft im Hotel Albergo Bella Venezia - das war zwar im Internet zu finden, aber leider ohne Telefonnummer.
Bei einem kleinen Spaziergang durch den Ort entdecken wir im Schaufenster einer Lancia-Garage ein von MoMo designtes Stadtfahrrad für Lancia-Fahrer. Edel, edel, das Teil, und ganz aus Titan, Alu und Carbon gefertigt.
In einem Café bekommen wir Kaffetassen von Schönwald, deren Henkel so geformt ist, dass er genau zur Biegung der Finger passt. Ist sehr angenehm zu halten und gefällt uns gut, das Ding.
"Signora, haben Sie ein Mützchen?"
Nach dem Nachtessen erklärt uns die Signora am Empfang, dass sie eigentlich Deutsche ist, aber im Laufe des zweiten Weltkriegs nach Latisana gekommen sei. Sie erzählt uns von ihrer nahezu hunderjährigen Tante, deren Mann ihr während des Krieges ein Fahrrad ganz aus Holz gebaut habe. Dieses Fahrrad hat sie nun von ihrer Tante geerbt. Auch geerbt habe sie die schönen Beine ihrer Tante, erzählt sie uns. Zum Beweis legt sie ein Bein auf den Tisch der Reception und krempelt ihre Hose hoch. Als sie erfährt, dass wir mit dem Fahrrad von Mestre gekommen sind und am nächsten Tag nach Triest weiterfahren wollen, meint sie: "Aber es regnet doch! SIgnora, haben sie ein Mützchen?". Wir beruhigen sie, dass wir alles dabei haben, was man fürs Radeln bei schlechtem Wetter so braucht. Wir fanden die Unterhaltung amüsant, die Dame erinnert uns an Monty Python's skurrile Figuren.