September 2016 - Therese und Ruedi Anneler, Büren an der Aare, Schweiz
Zur Einstimmung erst einmal ein Bild von einem landschaftlich schönen Abschnitt und etwas Musik ...
Nach den eher enttäuschenden Erfahrungen mit der französischen Küche von diesem Frühjahr in den Pyrenäen wollen wir jetzt wieder einmal nach Italien. Wir möchten an einem Ort wohnen bleiben und von dort aus mit unseren Rennrädern kleine Rundtouren unternehmen. Dabei darf es schon etwas hügelig sein - reine Flachlandtouren finden wir nicht besonders attraktiv. Der Ort sollte mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar sein, und es sollte dabei auch möglich sein, unsere Rennräder mitzunehmen. Fliegen ist für uns wegen der Umweltbelastung mittlerweile definitiv ein "No-Go" geworden.
Da die Anreise und die Rückreise jeweils einen ganzen Tag in Anspruch nehmen werden, planen wir eine Reisedauer von zehn Tagen.
Beim Kartenstudium bieten sich zwei für uns interessant aussehende Regionen in Norditalien an: Das ans Meer angrenzende Ligurien und das Piemont rund um Alba. Da wir vermuten, dass die steil aus dem Meer aufragenden Berge Liguriens für uns alte Kläuse dann dch etwas zu happig sind, entscheiden wir uns für das auf der Karte leicht hügelig aussehende und mit vielen kleinen Strassen erschlossene Piemont der Weinberge rund um Alba.
Eine Unterkunft unweit vom Zentrum Albas finden wir bei Zimmervermietung La Pajassa.
Etwas mehr Kopfzerbechen bereitet die Planung der Anreise. Therese's gründliches Studium von Fahrplänen und Fahrradmitnahmemöglichkeiten leifert aber dann doch genügend Erkenntnisse, um uns auf eine Bahnreise festzulegen. Wenn wir durchgehend Regionalzüge und Intercity-Züge der SBB und Tren Italia nutzen, können wir die Rennräder unverpackt und auch ohne Reservation mitnehmen. Dafür ist nebst unseren Fahrkarten nur eine Tageskarte pro Fahrrad erforderlich. Die kostet in der Schweiz CHF 12.- pro Tag und ist nur am Bahnschalter zu bekommen. Die Velomitnahmekarte in Italien kostet nur EUR 3.50 für die Strecke zwischen Domodossola und Alba, und die kann man problemlos am auch Deutsch sprechenden Automaten am Bahnhof kaufen, zum Beispiel in Domodossola oder in Alba.
Für reichlich Unsicherheit sorgen die letzten 30 Kilometer der Anreise von Cavallermaggiore nach Alba. Es ist uns trotz intensiver Suche nicht möglich herauszufinden, ob diese Bahnlinie überhaupt noch existiert und im Betrieb ist oder nicht. Vermutlich fährt dort heute ein Bus. Ob der Fahrräder mitnimmt, wissen wir nicht.
Die Reise nach Alba mit der Bahn verlief völlig problemlos. Sie dauerte allerdings um die zehn Stunden, und wir mussten sechs Mal umsteigen (Lyss, Bern, Domodossola, Novara, Turin, und in Cavallermaggiore auf den Bahnersatzbus).
Der erste Eindruck vor Ort war ernüchternd. Die Fahrt im Bus (ja, er hat unsere Fahrräder in seinem grossen Bauch mitgenommen) führte auf sehr stark befahrenen Strassen - vor allem der letzte Abschnitt von Bra nach Alba war von normeln Autos und sehr vielen Lastwagen völlig verstopft - und durch wenig attraktive grosse Industreigebiete. Ob wir da wohl die richtige Wahl getroffen hatten?
Am ersten Tag in Alba machen wir einen kleinen Bummel durch die (kleine) Altstadt und erkunden dann mit den Rennrädern die nähere Umgebung. Bald stelt sich heraus: Es gibt sie, die kleinen, verkehrsamren Strassen, wie wir sie uns vorgestellt haben. Das Radeln ist anstrengend, hier ist es nirgends flach, es geht immer nur bergauf oder bergab. Dabei sind an einigen Orten Steigungen und Gefälle von bis zu 15% anzutreffen. Auf unseren insgesamt sechs Rundtouren rund um Alba besuchen wir bei strahlend schönem und warmem Herbstwetter viele Sehenswürdigkeiten und bekannte Weinorte (Barolo, Barbaresco usw.) und sammeln dabei knapp 400 Kilometer mit insgesamt 6'000 Höhenmetern. Die Strassen sind teilweise in schlechtem Zustand, die Strassendecke ist oft mit mehr oder weniger tiefen Rissen durchzogen, was ein bisschen Vorsicht erfordert, vor allem in steilen Bergabpassagen. Die Landschaft ist geprägt vom Anbau von Weintrauben und von Haselnüssen, den zwei Hauptprodukten der dort ansässigen Landwirtschaft. Auf jeder Hügelkuppe sitzt ein altes Dorf, oft auch mit einer grossen Kirche und einem Schloss.
Die verpfelgung unterwegs war kein grosses Problem: Auch in kleinen Orten findet man oft ein Bar, die Getränke und kleine Zwischenmahlezieten anbietet. Und nicht zuletzt ist Alba die Welthauptstadt der Trüffelfreunde. Die ortsansässigen Restaurants bieten durchweg alle eine ausgezeichnte Küche zu Preisen, die denen in der Schweiz in nichts nachstehen.
Die Rückreise mit der Bahn verlief ebenfalls völlig problemlos. Sie dauerte
wegen der Wahl eines besseren Anschlusses in Domodossola nur neun Stunden, und wir mussten sechs Mal umsteigen
(Cavallermaggiore, Turin, Novara, Domodossola, Bern und Lyss).